06. 03. 2023

Die Highlights des Kunsthandwerks 2023

Handwerklich hergestellte Produkte in höchster Qualität und mit einem besonderen Augenmerk auf Gestaltung: das ist die «Handwerk & Design». Innerhalb der Internationalen Handwerksmesse IHM bietet sie dem Kunsthandwerk als Messe in der Messe ein eigenes Forum. Für Besucherinnen und Besucher ist das eine einzigartige Gelegenheit, Spitzenprodukte aus Werkstätten, Ateliers und Manufakturen aus aller Welt zu erleben.


Gläserne Schalen und Silberbecher, Keramikobjekte und Ledertaschen, handgewebte Schals, Hüte und Schmuckkunst: Vom 08. bis 12. März zeigen rund 200 Künstlerinnen und Handwerker auf 11.000 Quadratmetern ihre Arbeiten. Zu den Highlights der Messe gehören die von Experten und Expertinnen der Handwerkskammer für München und Oberbayern zusammengestellten Sonderschauen. Die größte unter ihnen ist die EXEMPLA. Diese „kleine Weltausstellung“ widmet sich in diesem Jahr ganz dem Bootsbau. Hunderte von Seen, Flüssen, Kanälen sowie die Nord- und Ostseeküste machen Deutschland zu einem wichtigen Standort für den Boots- und Schiffsbau. In diesem Gewerk kann das Handwerk seine ganze Pracht entfalten. „Bootsbau ist die Königsklasse handwerklicher Gestaltung“, sagt Wolfgang Lösche, Leiter der Abteilung für Messen und Ausstellungen der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Ob im Freizeit- oder Sportbereich: Hochwertige Materialien und Verarbeitung sorgen für höchste Belastbarkeit, zugleich spielt die Gestaltung eine wesentliche Rolle. Denn mal ehrlich: Ein Boot, das nicht schön ist, ist wie ein Segeltörn ohne Wind.

In zahlreichen „Lebenden Werkstätten“ zeigen die Macher ihr Handwerk, indem sie es live vorführen. Mit besonderer Spannung erwartet wird der Zimmerer und Bootsbauer Artem Lemberg aus Sibirien. Er wird vor Ort zeigen, wie man ein traditionelles Kanu aus Birkenrinde fertigt. Anders als die meisten modernen Boote werden Birkenrindenkanus von außen nach innen gebaut: Erst wird die äußere Form gefertigt und mit Fichtenwurzeln vernäht. Dann wird ein Gerüst aus gespaltenem Holz in diese Rindenform eingekeilt. Zu Abdichtung dient eine Paste aus Kiefernharz, Birkenteer, Asche und Bienenwachs.

Eines der beeindruckendsten Exponate der diesjährigen EXEMPLA ist der offene Sardinenkutter „Josephine D21“ aus der Bretagne. Sieben Meter Länge, traditionelle Takelage und zwei Gaffel-Großsegel zeichnen das historische Boot aus. Ein Bootstypus, den es zwischen 1890-95 an den Küsten Cornouailles und Cornwalls zu Tausenden gab und der heute völlig verschwunden ist. Der Verein Treizour aus Douarnenez setzt sich zum Ziel, die maritimen Traditionen wiederaufleben zu lassen. Mit historischer Bauweise und traditionellen Techniken stellten die Mitglieder innerhalb von drei Jahren den Kutter fertig. Mehr als 1.400 Kilometer legte das historische Boot von Douarnenez zum Messegelände München zurück.

Ebenfalls ein Highlight sind die Boote der Bootswerft Frauscher aus Ohlstadt bei Gmunden. Die preisgekrönte österreichische Firma geht nicht nur mit ihrem schnittigen Design ganz mit der Zeit: Bereits 2008 baute Frauscher das weltweit erste Sportboot mit Hybrid-Motor und kurz darauf das weltweit erste zertifizierte, mit Wasserstoffenergie betriebene Boot.

Von Kunstwerken auf dem Wasser zur Kunst am Körper: Die Sonderschau SCHMUCK ist nun schon seit mehr als 60 Jahren Dreh- und Angelpunkt der internationalen Schmuckszene. Jedes Jahr im März pilgern Künstler, Sammler, Galeristen und Schmuck-Enthusiasten aus aller Welt nach Riem, um sich einen Überblick über die neuesten Entwicklungen und Tendenzen dieser Kunstgattung zu verschaffen. Die Auswahl der Teilnehmer unter Hunderten von Einsendungen traf in diesem Jahr die britische Künstlerin Caroline Broadhead. Mit dabei ist beispielsweise die Halskette „Tesafilm und Jade“. Die chinesische Künstlerin Zixin Wei hat in dieser Arbeit zwei Materialien verwendet, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Auf der einen Seite ein kostbarer, über Millionen Jahre gewachsener Edelstein, auf der anderen ein massenhaft industriell hergestelltes Konsumprodukt. Während der Jade-Stein Hundert Millionen Jahre Geschichte in sich trägt, klammert sich der Klebestreifen an den Staub und die Haare der Gegenwart.

Als „Klassikerin der Moderne“ wird die kürzlich verstorbene, italienische Schmuckkünstlerin Annamaria Zanella (1966-2022) mit einer eigenen kleinen Ausstellung geehrt. In der Tradition der Arte Povera arbeitete Annamaria Zanella vor allem mit „einfachen“ Materialien wie Plastik, Glasscherben, Muscheln, den Ösen alter Blechdosen, Schwämmen oder Nägeln. Unter ihren Händen erhielten diese bescheidenen Materialien dann ein prachtvolles Gewand aus Farbe. Neopren zum Beispiel tränkte sie in so intensives Blau, dass es wie kostbarer Lapislazuli erscheint. Zugleich galt ihr das Material als Mut machendes Sinnbild der Hoffnung, verleiht es doch Leichtigkeit und kann einen Körper über Wasser halten. 

Weitere Spitzenwerke internationaler Schmuckkunst zeigen die von Kanada über Norwegen oder Amsterdam aus aller Welt angereisten Schmuckgalerien.

Einen Blick auf die Gestaltung von morgen erlaubt die TALENTE – MEISTER DER ZUKUNFT. Die Ausstellung bietet einen Reigen aus frischen Ideen und überraschenden Materialerkundungen von jungen Gestaltenden bis 35 Jahren. Unter Hunderten Bewerbungen aus allen Bereichen von Glas über Textil bis Papier oder Holz hat eine Fach-Jury die vielversprechendsten Arbeiten ausgewählt. Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind den Nachwuchsgestaltenden ein wichtiges Anliegen, genauso wie das Zusammenspiel von traditionellem Handwerk und moderner Technologie.

Bestes Beispiel ist wohl der „Log Chair“ aus Birkenästen von Matthias Gschwendtner. Der in Berlin lebende Designer hat ein Verfahren entwickelt, das Serienfertigung auf Basis unregelmäßig geformter Materialien ermöglicht. Die Lösung liegt in der Verbindung von Computerdesign, 3D-Scannen und Roboterfertigung und den dadurch möglichen ständigen Neuberechnungen. Die Birkenrinde seines Rohmaterials bleibt stellenweise stehen, nur an den Verbindungspunkten werden die Äste gefräst. Trotz Computereinsatz und Serienfertigung ist so jedes Objekt ein Unikat mit eigenem Charakter.

Ein besonderes Augenmerk auf den Gestaltungs-Nachwuchs hat traditionell auch der Bayerische Kunstgewerbeverein. Neben einer Auswahl an hochkarätigen Arbeiten seiner Mitglieder präsentiert der Verein auf der Messe auch die Gewinner und Finalisten des jährlichen BKV-Preises für junges Kunsthandwerk.

Neben den Sonderschauen, Galerien und Institutionen bilden Dutzende von Einzelausstellern die Säulen der Messe. Hin und wieder haben sie Gruppen gebildet, so wie etwa JAC – Jewellery Art Concept, ein Verein von elf Schmuckkünstlerinnen und Schmuckkünstlern aus Bayern, die ihre Messeauftritte gern in der Gemeinschaft ausrichten. Einer von ihnen ist Christoph Straube. Der Wahl-Nürnberger fertigt Halsketten, Kettenanhänger und Broschen. Seine Spezialität ist die Emaillemalerei. Eigentlich sind seine Schmuckstücke flach, doch dank einer ausgeklügelten Illusionsmalerei mit Schatten, Lichtreflexionen und perspektivischen Tricks wirken sie wie dreidimensionale Objekte. Einige Kettenanhänger sehen beispielsweise aus wie riesige blaue Wassertropfen, die sich so stark nach außen wölben, dass man am liebsten eine Nadel nehmen und hineinpieksen möchte: Doch das ist nur Illusion! Die Arbeiten sind vollkommen flach und liegen wie eine zweite Haut am Körper an. 

 

Fotoliste Highlights der «Handwerk & Design» 2023

Foto 1:             Artem Lemberg fertigt ein Kanu aus Birkenrinde. Foto: Lisa-Kristin Schroetter

Foto 2:             Der historische Sardinenkutter “Josephine D21". Foto: Simon Jourdan

Foto 3:             Elektroboot 650 Alassio der österreichischen Bootswerft Frauscher. Foto: Frauscher Bootswerft

Foto 4:             Zixin Wei: Halsschmuck „Scotch tape and Jade“. Foto: Zixin Wei

Foto 5:             Brosche „Finistreblu“ von Annamaria Zanella. Foto: Marco FurioMagliani

Foto 6:             „Log chair“ aus Birkenästen von Matthias Gschwendtner. Foto: Matthias Gschwendtner

Foto 7:             Tropfen-Anhänger in Emaille von Christoph Straube. Foto: Christoph Straube

 


Dateien zum Download

Bilder zum Download

© Abdruck der Fotos und Grafiken zu redaktionellen Zwecken kostenfrei unter Angabe der Quelle und des Bildnachweises.

  • Artem Lemberg fertigt ein Kanu aus Birkenrinde. Foto: Lisa-Kristin Schroetter
     

  • Der historische Sardinenkutter “Josephine D21". Foto: Simon Jourdan
     

  • Elektroboot 650 Alassio der österreichischen Bootswerft Frauscher. Foto: Frauscher Bootswerft
     

  • Zixin Wei: Halsschmuck „Scotch tape and Jade“. Foto: Zixin Wei

  • Brosche „Finistreblu“ von Annamaria Zanella. Foto: Marco FurioMagliani

  • „Log chair“ aus Birkenästen von Matthias Gschwendtner. Foto: Matthias Gschwendtner

  • Tropfen-Anhänger in Emaille von Christoph Straube. Foto: Christoph Straube

Weitere Fotos »

Links

YouTube
Instagram

  • Drucken
  • Nach oben